Ein Grund zum Feiern! 10 Jahre Partnerprozess „Gesundheit für alle“ in Bayern
Zwanzig engagierte, bayerische Partnerkommunen in 10 Jahren – das ist der Anlass für die exklusive Jubiläumsveranstaltung, die die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) für die beteiligten Kommunen am 15. November 2022 digital ausgerichtet hat. Neben einem gemeinsamen Rückblick auf bereits Erreichtes erläuterte Gerda Holz, Expertin für Armut(sfolgen) und Armutsprävention bei Kindern, in ihrem Impulsvortrag die Brisanz und die Notwendigkeit des Anspruchs „Gesundheit für alle“. Zukünftige Ideen und Perspektiven für den weiteren Weg wurden in Denkgruppen entwickelt und diskutiert.
Ein Blick auf die Anfänge
Durch den Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit wurde im Jahr 2011 der bundesweite Partnerprozess initiiert. Im Laufe der Zeit wurde das ursprüngliche Motto „Gesund aufwachsen für alle!“ auf alle Lebensphasen erweitert. Nach dem Beitritt der ersten bayerischen Partnerkommune 2012 haben sich mittlerweile 20 engagierte Kommunen dem Partnerprozess angeschlossen und handeln nach dem Motto „Gesundheit für alle“.
Iris Grimm begleitet als Ansprechpartnerin rund um das Themenfeld Gesundheitliche Chancengleichheit am ZPG den Partnerprozess von Beginn an. Sie ist stolz auf das Engagement und das Durchhaltevermögen mit dem sich die Partnerkommunen neuen Themen und Herausforderungen stellen. Psychische Gesundheit, Inklusion, Gesundheitskompetenz, Gesundheitsförderung und Stadtplanung oder der Aufbau von Präventionsketten sind Schwerpunktthemen der vergangenen Jahre, die durch Fachveranstaltungen, Gesundheitsforen, Netzwerktagungen, Arbeitskreissitzungen und Werkstätten ins Blickfeld des öffentlichen Interesses gerückt wurden.
Mit fachlicher Expertise und finanziellen Mitteln unterstützt nicht nur die KGC in Bayern. Der bundesweite Austausch, die fachliche Qualifizierung und die Unterstützung durch 75 starke Partnerinstitutionen im Kooperationsverbund sind schlagkräftige Argumente für den Beitritt zum Partnerprozess. Überzeugen auch Sie sich von den guten Gründen für den Partnerprozess - lesen Sie hier weiter.
Den Mehrwert erkennen und nutzen
20 Kommunen in Bayern beteiligen sich am Partnerprozess und setzen sich damit für eine stärkere Verzahnung von sozialen und gesundheitlichen Fragen sowie die Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit ein. Stellvertretend berichten Sonja Dasch, KoKi Ingolstadt, und Sophia Freudenstein, Gesundheitsregionplus Rottal-Inn, im Interview von Ihren Erfahrungen und Highlights. „Der Kommunale Partnerprozess „Gesundheit für alle“ und insbesondere die Kooperation mit dem Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung hat es uns in all den Jahren möglich gemacht, die Jugendhilfe mit anderen kommunalen Akteurinnen und Akteuren am Standort Ingolstadt – insbesondere die des Gesundheitsbereiches – stärker zu vernetzen“, so das Resümee von Sonja Dasch. Gemeinsam organisierte Kooperationsveranstaltungen zogen eine ganz andere Außenwirkung nach sich, führten zu einer rasanten Steigerung der Teilnehmendenzahlen und somit auch zur Ausweitung unseres Netzwerks Frühe Kindheit in Ingolstadt. Sonja Dasch erklärt, dass es hierdurch in relativ kurzer Zeit gelang, sowohl dem konzeptionellen Auftrag der koordinierenden Kinderschutzstellen in Bayern (KoKi) als auch den gesetzlichen Vorgaben des Bundeskinderschutzgesetzes (BKiSchG; explizit §§ 3 und 4 KKG) und dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) gewissenhaft nachzukommen. Lesen Sie das vollständige Interview hier nach.
Im Jahr 2015 ist der Landkreis Rottal-Inn dem Partnerprozess beigetreten und setzte mit dem Fachtag „Psychisch belastete Eltern – Was ist mit den Kindern?“ schon frühzeitig einen drängenden Schwerpunkt auf die Agenda. Als Gesundheitsregionplus ist der Landkreis stetig an der Fortführung und Weiterentwicklung interessiert. Sophia Freudenstein ist seit März 2021 Geschäftsstellenleiterin der Gesundheitsregionplus Landkreis Rottal-Inn und erzählt, mit welchem Elan der Arbeitskreis psychische Kindergesundheit im Frühsommer 2021 unter den Eindrücken der Corona-Pandemie das Projekt „Superkids – jetzt erst recht!“ entwickelte. Durch die Zusammenarbeit zahlreicher Akteurinnen und Akteure im Landkreis entstand ein Pilotprojekt mit sechs Grundschulklassen, das die Module Entspannung, Bewegung und den Umgang mit Gefühlen einschloss. Diese wurden durch die Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen der Jugendsozialarbeit, der AOK Bayern und der Beratungsstelle begleitet. Das flächendeckende Angebot des Projektes im gesamten Landkreis gelang im Jahr 2022 mit der Unterstützung der KGC. Lehrkräfte, Jugendsozialarbeiterinnen und Jugendsozialarbeiter an Schulen sowie Eltern konnten als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren geschult werden, um die nötigen personellen Kapazitäten der Projektbegleitung zu gewährleisten.
„Gesund aufwachsen für alle“ – ein Anspruch mit Verpflichtung, mehr denn je!
Unter diesem Titel ruft die Expertin Gerda Holz in ihrem Impulsvortrag zu mehr Armutssensibilität auf – mit einem Fokus auf Kinderarmut. Ausgehend vom Modell der Wechselwirkungen von sozialen und gesundheitlichen Ungleichheiten nach Andreas Mielck, plädiert sie dafür, nicht nur über individuelle Verhaltensweisen zu reden, sondern die Lebensbedingungen und Lebensrealitäten in den Blick zu nehmen. „Die Lebenssituation der Menschen lässt sich nicht in Ressortzuständigkeiten teilen“, so Gerda Holz, die damit eine klare Botschaft für Zusammenarbeit, gegenseitiges Verständnis, Schnittstellenmanagement und öffentliche Verantwortung sendet. An Hand verschiedener Beispiele wird deutlich: Kinder aus armutsbetroffenen Familien haben eine schlechtere körperliche und seelische Gesundheit als solche aus Familien mit einem höheren Einkommen. Krisen, wie die Corona-Pandemie, verschärfen die ohnehin bestehenden Folgen und Risiken der Kinder- und Jugendarmut. Die bestimmende Frage ist: „Was kommt bei den Kindern an?“, so Holz. Hier ist auch die Wahl der Zugänge entscheidend. Abhängig von der Armutsgefährdung lassen sich Unterschiede in der Inanspruchnahme von sozialen Angeboten feststellen. Die Bindungs- und Beziehungsebene ist wichtig – Gruppenangebote werden weniger in Anspruch genommen als individuelle Beratungsangebote.
Zukunftsvision 2030 – Denkgruppen setzen sich mit Anspruch und Wirklichkeit auseinander
In drei Kleingruppen stellen sich die bayerischen Partnerkommunen vier Fragestellungen. Ausgangspunkt ist eine Auseinandersetzung mit dem Status Quo. Wie gelingt es bisher soziale Fragen vor Ort einzubringen? Der Wille ist da, die Notwendigkeit deutlich aber die Umsetzung nicht immer gegeben. Armutssensibilisierung und eine stärkere Verzahnung aller Politikfelder – Stichwort „Health in all policies“ haben Luft nach oben. Zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen stellen Hürden dar. Bekannte Qualitätsaspekte, wie Partizipation sind unbedingt unterstützenswert aber in der Praxis nicht immer durchzusetzen. Die Teilnehmenden diskutieren, welche gesellschaftlichen Entwicklungen sie bis 2030 erwarten und worauf dann in der Arbeit besonders zu achten ist. Krisen, Fachkräftemangel, die Schere zwischen arm und reich sind die bestimmenden Themen.
Chancengleichheit braucht einen Themenanwalt
„Krisen treffen vulnerable und vor allem benachteiligte Gruppen immer stärker. Das ist ein Alltagswissen und muss ein Alltagswissen sein. Ohne einen Themenanwalt geht es nicht. Die Aufgabe des Themenanwaltes ist es dabei, für Fragen der sozialen Ungleichheit einzustehen“, so das Resümee von Gerda Holz am Ende des diskussionsreichen vormittags. Um sich den neuen Herausforderungen adäquat stellen zu können, ist es von Bedeutung die eigene Haltung zu hinterfragen und Netzwerke lebendig zu gestalten. Die Fragen „Braucht es das wirklich? Und für was setzen wir uns ein?“ erlangen in Zeiten begrenzter Kapazitäten und Ressourcen große Bedeutung für den effektiven Abbau sozialer Ungleichheit und zur Stärkung gesundheitlicher Chancengleichheit.