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Dialogforen „Cannabisprävention an bayerischen Schulen“ – eine Rückschau

Holzfiguren, die Personen darstellen, mit Sprechblasen

© iStock.com/Andrii Yalanskyi

Erstmalig veranstaltete das ZPG in Kooperation mit der Bayerischen Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS) das Format der Dialogforen – 2021 unter dem Themenschwerpunkt „Cannabisprävention an bayerischen Schulen“. An drei Veranstaltungsterminen kamen knapp 200 beauftragte Lehrkräfte für Suchprävention sowie Fachkräfte der Jugendsozialarbeit an Schulen und rund 80 Suchtpräventionsfachkräfte des ÖGD und der freien Träger in Bayern auf digitalem Wege zusammen, um sich über Cannabis zu informieren und anschließend auszutauschen.

Auf Grund der aktuellen Legalisierungsdebatte sowie einer zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz und damit einhergehenden Konsumsteigerung, ist Cannabis ein brisantes Thema bei unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren. Um der wachsenden Bedeutung einer vorausschauenden Cannabisprävention nachzukommen, boten die Dialogforen Praktikerinnen und Praktikern der Schul- und Suchtpräventionslandschaft Fachvorträge mit fundierten Hintergrundinformationen zu Cannabis und dessen Prävention im Setting Schule. Anschließend tauschten sich die Teilnehmenden in Fokusgruppen über bisherige Erfahrungen sowie wahrgenommene Bedarfe aus und diskutierten, wie eine erfolgreiche Cannabisprävention in bayerischen Schulen etabliert werden kann.

Cannabis – Zahlen, Fakten & Trends

Cannabis kann auf verschiedene Weise konsumiert werden – meist wird es geraucht oder gedampft aber auch – beigemischt in Lebensmitteln – gegessen. Unterschieden wird hauptsächlich zwischen Marihuana, den getrockneten Blüten und Blättern der Pflanze, oder Haschisch, dem Harz der Pflanze. Dabei gehen mit dem Konsum der Substanz besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen gesundheitliche, psychische und soziale Risiken einher, wie PD Dr. Eva Hoch, Ludwig-Maximilians-Universität München, an den drei Dialogforen in ihrem Vortrag zu Hintergrundinformationen zu Cannabis berichtet. Neben der kurzfristigen, berauschenden Wirkung kann regelmäßiger Konsum zu langfristigen Folgen, wie z. B. der Beeinträchtigung der Hirnleistung, einem erhöhten Risiko für psychische Störungen oder eine Abhängigkeitserkrankung sowie organischen Schädigungen, führen.

Ein besonderes Problem besteht laut Frau Dr. Hoch in der steigenden Potenz der Cannabisprodukte in Verbindung mit einem sinkenden Risikobewusstsein. Durch Züchtung nehme der THC-Gehalt, der auf dem Markt erhältlichen Produkte, bei gleichbleibendem Preisniveau zu.

Dr. Thomas Räthel, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, beschrieb im Rahmen der Veranstaltung für Fachkräfte der Suchtprävention die Toxikologie von Cannabis. Welche Inhaltsstoffe besitzt Cannabis und wie wirken diese im Körper? Den Teilnehmenden wurden die im Gehirn ablaufenden Prozesse aufgezeigt und welche Rauschwirkungen durch THC hervorgerufen werden. Dabei unterscheiden sich die verschiedenen Konsumformen, wie z. B. Rauchen, Dampfen und „Edibles“ (Essbares, z.B. Haschkekse), in deren Dosierung und Wirkungseintritt sowie -dauer.

Gelingensfaktoren schulischer Präventionsarbeit

Die wichtigsten Grundlagen schulischer Suchtprävention erläuterte Tanja Orta, Condrobs Suchtberatungsstelle Starnberg. Welche Faktoren bedingen und welche schützen vor der Entwicklung eines problematischen oder gar abhängigen Konsumverhaltens? Wozu dient schulische Suchtprävention und welche Ansätze gibt es? Diese Fragen griff Frau Orta mit ihrem Grundlagenvortrag auf und schloss gleichzeitig den Bogen zur Prävention des Cannabiskonsums. Neben wichtigen theoretischen Grundlagen wurden den Teilnehmenden praktische Methoden zur Arbeit mit Jugendlichen sowie Tipps zu weiterführenden Informationen mit auf den Weg gegeben.

Fachkräfte der Suchtprävention erhielten zudem einen Einblick in die Evidenzbasierung der Prävention. Mit seinem Vortrag fasste Martin Heyn, Leiter des ZPG, zusammen, welche Bedeutung Evidenzbasierung in der Suchtprävention zukommt und was darunter zu verstehen ist.

Blick in die Praxis – Fokusgruppen zeigen Bedarfe auf

Welche Notwendigkeit besteht hinsichtlich schulischer Cannabisprävention? Welche positiven oder negativen Erfahrungen konnten bereits gesammelt werden? Was wäre ein ideales Konzept zur Prävention von Cannabis im Setting Schule? Diese Fragen wurden in Fokusgruppen, bestehend aus rund zehn Teilnehmenden mit unterschiedlichen Vorerfahrungen im Bereich der Cannabisprävention, diskutiert. Auch wenn die Diskussionsergebnisse nicht repräsentativ sind, so lassen sie doch erste Rückschlüsse auf Erfahrungswerte und die Bedarfslage zu.

Die Notwendigkeit schulischer Cannabisprävention wurde durchweg als sehr hoch eingeschätzt. Die Teilnehmenden sprachen von einer Omni-Präsenz der Droge. Tendenzen der Verharmlosung sowie ein gesunkenes Risikobewusstsein in Bezug auf den Konsum der Substanz seien zu beobachten. Die Teilnehmenden sind sich einig, dass dies nicht nur bei Schülerinnen und Schülern der Fall sei, sondern auch bei deren Eltern. Auch Lehrkräfte seien oftmals zu wenig informiert. Die Sensibilisierung und Aufklärung der gesamten Schulfamilie sei somit zwingend notwendig. Insgesamt wird die Schule als zentrale Lebenswelt junger Menschen  als idealer Ort für die Sensibilisierung und Prävention der Zielgruppe bzgl. Cannabiskonsum gesehen.

Idealerweise sollte diese cannabisspezifische Prävention in ein nachhaltiges schulisches Gesamtkonzept zur Suchtprävention eingebettet sein und frühestmöglich mit der Förderung von Lebenskompetenzen beginnen, so die Teilnehmenden der Fokusgruppen. Hierbei wäre es notwendig, alle Mitglieder der Schulfamilie sowie unterstützende externe Akteure einzubeziehen und neben verhaltenspräventiven Maßnahmen auch die schulischen Verhältnisse entsprechend zu gestalten. Aus Sicht der Lehrkräfte stellt die Handhabbarkeit der Präventionsmaßnahmen und -angebote eine wichtige Rolle dar. Leitfäden und Materialien sollten Lehrkräften und Fachkräften der Jugendsozialarbeit an Schulen niedrigschwellig zur Verfügung gestellt werden, um diese bei Bedarf oder z. B. in Vertretungsstunden flexibel und unkompliziert anwenden zu können.

Die Teilnehmenden berichteten von Bemühungen, ganzheitliche Ansätze zur Suchtprävention an Schulen zu etablieren. Dennoch werde ein Gesamtkonzept häufig vermisst. Die meisten suchtpräventiven Aktivitäten wurden mit externen Partnerinnen und Partnern, wie Fachkräften aus dem Gesundheitsamt oder der Polizei, durchgeführt. Erfahrungen hinsichtlich substanzspezifischer Präventionsprogramme zu Cannabis waren seltener. Fehlende qualitätsgesicherter Programme, Handlungskonzepte und Lehrkräftefortbildungen sowie mangelnden zeitlichen und personellen Ressourcen, auch externer Akteurinnen und Akteure, werden als Hürden wahrgenommen.