Gesundheit für alle – auch in Pandemie-Zeiten?
Aktivitäten und Kapazitäten im Landkreis Weilheim-Schongau
Der „Kommunale Partnerprozess Gesundheit für alle“ hat auf dem Portal www.inforo.online eine neue Beitragsreihe eröffnet. Die Reihe „Gesundheit für alle – auch in Pandemie-Zeiten“ stellt Aktivitäten und Erfahrungen verschiedener Partnerkommunen vor. Die Beiträge geben spannende und informative Einblicke in den Umgang mit den derzeitigen Herausforderungen. Teil 8 der Beitragsreihe beleuchtet die Aktivitäten und Kapazitäten in der Corona-Zeit im Landkreis Weilheim-Schongau.
Vor welche besonderen Herausforderungen waren Sie gestellt und welche Ressourcen und Kompensationen haben Sie im Umgang damit gefunden?
Besondere Herausforderungen war die Unkenntnis über das Virus und dessen Folgen, die Flut an positiven Fällen mit der Notwenigkeit der Nachverfolgung und der Mangel an Personal. Hier hat sich gezeigt, dass die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes ein gutes, eingespieltes Team waren und sind und dass auch Aushilfskräfte sehr schnell und gut integriert und aufgenommen wurden. Die Hauptlast haben die Ärzte mit der durchgehenden Erreichbarkeit und oftmals schweren Entscheidungen getragen. Besonders hervorgetan hat sich unser Geschäftsstellenleiter der Gesundheitsregion Plus, Herr Wiedemann, der von Beginn an Strukturen gesetzt hat, die Leitung der internen Taskforce zusammen mit einem Arzt übernommen hat und unendlich viel Kraft, Zeit und Energie aufgewendet hat, damit bei der Nachverfolgung niemand durch das Raster fällt. Das ist in unserem Landkreis auch wirklich gelungen.
Bei den Ärzten, Hygienikern, sozialmedizinischen Assistentinnen (die auch die Abstrichstation am Laufen hielten), wie auch bei den Verwaltungskräften konnte man ganz deutlich merken, wie die langen Schichten und die aufreibende Arbeit an den Nerven zehrt. Nicht zu vergessen sind die langwierigen Besprechungen und Sitzungen im Katastrophenteam, im Landratsamt intern, usw. Das Team des sozialen Bereiches hat die Bürgertelefone übernommen, über längere Zeit auch im Schichtmodell am Abend und an den Wochenenden, für Verpflegung und Getränke gesorgt, die Räume sauber und ansprechen erhalten und sich um die sozialen Belange der Mitarbeiter gekümmert. Zeitweise waren ca. 20 zusätzliche Personen im Haus, für die Arbeitsplätze geschaffen werden mussten. Hier sind alle Mitarbeiter zusammengerückt und es wurden kreative Lösungen gefunden.
Bezüglich Gesundheitsförderung und Prävention haben wir eine Person damit betraut, die die Angehörige der an Corona Verstorbenen betreute, was sehr gut aufgenommen wurde. Es wurden Kontakte zu Trauergruppen vermittelt und alleine unser Gesprächsangebot wurde als sehr wohltuend empfunden. Überraschend für uns war, dass viele Schulen gleich Anfang Juli angefragt haben, ob wieder Einheiten zur Suchtprävention (vor allem bezüglich des vermehrten Medienkonsums während der Pandemie) und zur Sexualpädagogik stattfinden können. Hier hat der soziale Bereich sofort reagiert und Hygienekonzepte entwickelt und ist derzeit dran, auch Video-Bausteine zu erstellen. Ebenfalls überraschend war die Anfrage einiger Alten- und Pflegeheime nach Bewegungsübungen und Einheiten für die Bewohner. Das führen wir auf die Bekanntheit und den Erfolg des Projektes „Mobiles Bewegungszimmer – Bewegung und Spaß für alle“ zurück, bei dem eine Trainerin leichte Bewegungsübungen mit hauptsächlich älteren Teilnehmern anbietet. Auch für dieses Projekt haben wir eine Hygienekonzept entwickelt und sind gerade daran, mehrere Trainer zu schulen.
Welche Bedürfnisse und Bedarfe können Sie benennen, was auch perspektivisch eine kontinuierliche wie flexible Koordination Ihrer kommunalen Strategie unterstützen würde?
Ganz dringend Personal im sozialen Bereich, das nicht in Corona-Aufgaben eingebunden ist, denn wir versuchen bestehende Netzwerke und Präventionsangebote (v.a. an Schulen und mit Kooperationspartnern ) zu nutzen um die Corona-Prävention weiter voran zu treiben und die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Bezug auf Corona durch tägliche Medienarbeit und Beantwortung aller Bürgerfragen zu verbessern. Dafür stehen uns viel zu wenig Sozialpädagogen zur Verfügung. Das gesamte Personal der Gesundheitsämter wurde massiv aufgestockt, ausgenommen der soziale Bereich. Hier wurde keine einzige neue Stelle geschaffen, was sehr kurzsichtig ist, denn es deutet sich jetzt schon an, dass durch die Pandemie die Suchterkrankungen, die psychischen Belastungen und Störungen, Gewaltbereitschaft, wie auch die soziale Vereinsamung (vor allem im Alten- und Pflegebereich) extrem stark zunehmen. Hier muss dringend nachgebessert werden!