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19. Forum AIDS-Prävention – ein Resümee

geöffnete Hände, im Kreis angeordnet, halten eine rote AIDS-Schleife

© iStock.com/Vasyl Dolmatov

Das Bayerische Forum AIDS-Prävention ist eine etablierte Veranstaltungsreihe zur Fort- und Weiterbildung für Fachkräfte der HIV-/AIDS-Prävention und -Beratung in Bayern. Das 19. Forum AIDS-Prävention fand am 21. Juli 2022 wieder im digitalen Format statt und erfreute sich erneut großer Nachfrage. Rund 130 Teilnehmende verfolgten die Expertenvorträge, Praxisbeiträge und regen Diskussionen. Thematisch standen dabei die aktuelle Situation, Bedarfslagen und Zugangswege von ganz unterschiedlichen Adressatengruppen im Fokus.

Erreichung der UNAIDS-Ziele? – Zahlen aus Bayern und Deutschland

Seit 2015 ist ein Rückgang der geschätzten HIV-Neuinfektionen zu beobachten, berichtete Frau PD Dr. med. Viviane Bremer vom Robert Koch-Institut zur aktuellen epidemiologischen Datenlage in Deutschland und Bayern. Die Anzahl an Menschen, die mit HIV leben, ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen, was mit den guten Behandlungsmöglichkeiten in Deutschland und bei guter Compliance deutlich erhöhter Lebenserwartung zu tun hat. Wie auch in vielen anderen Bereichen hat die Corona-Pandemie Auswirkungen auf HIV. So ist in Bayern ein Rückgang der geschätzten HIV-Neuinfektionen seit Beginn der Pandemie festzustellen. Jedoch berichtete Frau Dr. Bremer in diesem Zusammenhang von einem stärkeren Rückgang der Erstdiagnosen, was möglicherweise auf mehr unentdeckte HIV-Infektionen hinweisen kann. Aber wurden die UNAIDS-Ziele erreicht? Die 90-90-90 Ziele wurden in 2020 (in Teilen nur sehr knapp) erreicht, jedoch muss man bereits jetzt schon die Ziele für 2025 mit 95-95-95 im Blick behalten. Das heißt, die Bemühungen, Neuinfektionen zu reduzieren und die Diagnosen früher zu stellen, müssen verstärkt werden. Bis zur Erreichung der ersten 95 (d.h., dass 95 % der HIV-Infizierten diagnostiziert sind) sind weitere große Anstrengungen notwendig. Die Expertin erklärte, dass sie dabei eine stärkere Vernetzung der Strukturen für wichtig erachte und mehr niedrigschwellige Angebote (mit geringen Zugangshürden und hoher Sichtbarkeit), um die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. Zahlen aus 2020 für Deutschland veranschaulichen, dass der Anteil an Erstdiagnosen im fortgeschrittenen Stadium bei der Gruppe mit heterosexuellem Übertragungsweg groß ist. Diese Zielgruppe sollte bei der Diagnostik ebenso früher erreicht werden.

TasP und PrEP – als Beispiele von HIV-Präventionsmöglichkeiten

Durch Herrn PD Dr. med. Sebastian Noe, dem stellvertretenden ärztlichen Leiter eines Medizinischen Versorgungszentrums in München mit Schwerpunkt HIV/AIDS, konnte ein Einblick in die Praxis der HIV-Präventionsmöglichkeiten gewonnen werden. Besonders beleuchtet wurden in seinem Vortrag die Themen „TasP“ und „PrEP“:

„Treatment as Prevention“ (TasP) sei eine der wichtigsten Präventionsmaßnahmen in Bezug auf HIV/AIDS in Deutschland – dies sei allerdings zu wenig bekannt. Dr. Noe erklärte, dass Menschen unter HIV-Therapie kein realistisches Ansteckungsrisiko für andere darstellen würden. Die erfolgreiche HIV-Behandlung schütze vor einer Weitergabe auf andere Personen, so dass man von „undetectable equals untransmittable“ (U=U) sprechen könne. Hier sei mehr Aufklärung in der Bevölkerung und auch im Medizinischen Bereich notwendig, um die Entstigmatisierung voranzutreiben.

Die Präexpositionsprophylaxe (PrEP), die vorbeugende Einnahme von Medikamenten durch HIV-negative Personen zum Schutz vor einer möglichen Ansteckung, sei ebenfalls ein wichtiges Element der HIV-Prävention. Wichtig dabei sei u.a., eine verlässliche Medikamenteneinnahme (Compliance) sowie die Patientinnen und Patienten regelmäßig bezüglich HIV (Resistenzen) und anderen sexuell übertragbaren Infektionen zu kontrollieren. Als Ausblick wurden neue Entwicklungen in den Bereichen PrEP sowie ART (antiretrovirale Therapie) vorgestellt.

Frauen und HIV

Zum Thema Frauen und HIV berichtete Dipl.-Psych. Ulrike Sonnenberg-Schwan von den Herausforderungen in den verschiedenen Lebensphasen der Frauen. Allgemein ist bekannt, dass die Diagnose bei Heterosexuellen, besonders bei Frauen oder Migrantinnen und Migranten aus Hochprävalenzländern, häufig später stattfindet. Mögliche Gründe sind mangelnde Informationen, mangelndes Risikobewusstsein oder auch Angst vor Diskriminierung.

Die HIV-Therapie ist bei Frauen und Männern erfolgreich, bei rechtzeitiger Behandlung haben Betroffene eine Lebenserwartung wie Nichtinfizierte. Jedoch können Nebenwirkungen unterschiedlich ausfallen. Hormonelle Einflüsse seien zu wenig erforscht und es bestehe ein Gender Data Gap. Frau Sonnenberg-Schwan erklärte in ihrem Vortrag, dass der Kinderwunsch heute bereits ohne Infektionsrisiko zu verwirklichen ist und unter optimalen Bedingungen sogar eine vaginale Entbindung und Stillen möglich sind.

Zudem haben Frauen zu wenig Wissen über PrEP und sollten beispielsweise in Informationsmaterial zielgruppenspezifischer adressiert werden. Auch Vaginalkondome (Femidome) zur HIV-Prävention wurden vorgestellt, die Prostituiertenschutzgesetz kompatibel, jedoch oft zu teuer seien.

Evaluationsergebnisse zu den Psychosozialen AIDS-Beratungsstellen in Bayern

Als abschließenden Vortrag berichtete Mark Hulm, Institut für Therapieforschung (IFT) München, zu den Ergebnissen der Evaluation der Psychosozialen AIDS-Beratungsstellen in Bayern. Neben den Einflussfaktoren und Herausforderungen im Rahmen der Evaluation, konnten die fünf wichtigsten Handlungsempfehlungen vorgestellt werden. Diese adressieren die Bereiche der Vernetzung, der Digitalisierung, einer niedrigschwelligen Testinfrastruktur, die Erreichung in der Fläche sowie STI und sexuelle Gesundheit.

Diskussionsrunde: Geflüchtete Menschen insbesondere aus der Ukraine - Erfahrungen, Bedarfe und Ansätze der Praxis

Die aktuellen Fluchtbewegungen insbesondere aus der Ukraine stellen auch in Deutschland die Präventions-, Beratungs- und Versorgungsarbeit vor besondere Herausforderungen. Die abschließende Diskussionsrunde beschäftigte sich mit diesem Thema. Hans-Peter Dorsch (Leiter der AIDS-Beratungsstelle Oberpfalz) und Sarah Armbrecht (Leiterin der AIDS-Beratung Mittelfranken) teilten mit dem Plenum ihre Praxiserfahrungen aus der AIDS-Beratungsarbeit mit geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern. Als große Herausforderung wird die häufig vorhandene sprachliche Barriere gesehen. In ihren Impulsbeiträgen stellten beide Beratungsstellen vor, dass sie beispielsweise zweisprachige Flyer und Plakate entwickelt haben, um die ukrainischen Geflüchteten über das Beratungsangebot zu informieren. Eine weitere Herausforderung stellt das Thema Stigma/Diskriminierung dar: Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, die geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer sind überwiegend mit HIV infiziert, denn 99 % sind es nicht.

In der anregenden Diskussionsrunde konnten Erfahrungen geteilt, Bedarfe gemeinsam diskutiert und zielgruppengerechte Ansätze der Praxis ausgetauscht werden - am Ende stand ein Plädoyer für Kooperation und Vernetzung beispielsweise im Austausch von übersetzten Informationsmaterialien.