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PAKTan - Physische Aktivität in Kitas altersgerecht nutzen

Junge und Mädchen mit Hüpfseil, Ball und Hula Hoop

© TUM

Die Chancen auf ein gesundes Aufwachsen sind ungleich verteilt, und die Gesundheit von Kindern hängt auch in Deutschland stark von ihrer sozialen Lage ab. Kitas erreichen heute einen Großteil der Kinder und ihre Eltern und bilden einen idealen Ort für frühzeitige, altersgerechte Gesundheitsförderung und Prävention. Hier setzt das gemeinsame Projekt „PAKTan“ der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften der TU München (TUM) und der Arbeiterwohlfahrt (AWO) AWO Oberbayern an. Ziel ist die Verbesserung gesundheitlicher Chancengleichheit von Kindern in der Lebenswelt Kita, wobei neben der Entwicklungsförderung insbesondere die Förderung physischer Aktivität in den Blick genommen wird. Hierbei gilt es nicht nur, ein gesundheitsgerechtes Verhaltens zu fördern, sondern auch gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Innerhalb der dreijährigen Projektlaufzeit von 2020 bis 2023 wurden gesundheits- und bewegungsförderliche Interventionen, die verhältnis- und verhaltenspräventive Maßnahmen verknüpfen, partizipativ und bedarfsorientiert mit den Akteuren vor Ort in zwei beteiligten Einrichtungen der AWO Oberbayern konzipiert und gestaltet. Gleichzeitig wurden die Fachkräfte in prozessbegleitenden Qualifizierungen in ihren Gesundheitskompetenzen gestärkt.

Alle Informationen finden sich auf der Projektwebseite "PAKTan" der TUM.

Logo der Initiative Gesund. Leben. Bayern. mit Apfel, Smiley, Wolken und Bayerischem Staatswappen

© StMGP

Die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern und das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention (StMGP) förderten gemeinsam das Projekt. Über die Gesundheitsinitiative Gesund.Leben.Bayern. des StMGP konnte die Evaluation des Projektes gefördert und realisiert werden.

Ein Blick hinter die Kulissen

Portrait Prof. Dr. Filip Mess

© TUM

Prof. Dr. Filip Mess, Professor für Sport- und Gesundheitsdidaktik an der Technischen Universität München, beantwortet im Austausch mit dem ZPG Fragen zum Projekt, gibt einen Einblick in den Projektverlauf und die Besonderheiten des partizipativen Vorgehens.

 

Bitte schildern Sie uns die Anfänge des Projektes PAKTan. Wie wurde aus der Idee Realität?

Wir sind auf die Fördermöglichkeit im Kontext der Landesrahmenvereinbarung Prävention Bayern (LRV) aufmerksam geworden. Und da wir in diesem Themenfeld ohnehin eine Idee zur kindlichen Förderung im Bereich körperliche Aktivität, Fitness und Gesundheit hatten, haben wir uns von Geschäftsstelle LRV beraten lassen. Es wurde schnell deutlich, dass die Projektidee nur mit einem Praxispartner durchgeführt werden kann und so haben wir Kontakt zur AWO Oberbayern gesucht, die sofort interessiert war. In gemeinsamen Absprachen und Planungen mit der AWO Oberbayern haben wir dann das Projekt konkretisiert, die Rollen geklärt und schließlich den Antrag eingereicht. Parallel dazu haben wir einen Antrag zur Förderung der Evaluation über die Gesundheitsinitiative Gesund.Leben.Bayern. des StMGP gestellt. Hierüber ist dann auch der Kontakt zum Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, inkl. ZPG zustande gekommen und die Projektunterstützung konnte auf mehreren Säulen aufgebaut werden. Nach den positiven Zusagen sind wir dann direkt inhaltlich eingestiegen und haben PAKTan gemeinsam konzipiert.

Die Einschränkungen während der Pandemie erforderten Flexibilität und Ideenreichtum bei der Umsetzung geplanter Präventionsprojekte. Was war aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung?

Die Herausforderungen, die die Pandemie für PAKTan mit sich brachte, erforderten ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit. Eine der größten Hürden war die Schließung von Einrichtungen für externe Personen, was eine direkte Zusammenarbeit vor Ort erschwerte. Diese Situation zwang uns fortlaufend, neue Wege zu finden, um die Fachkräfte in Kindergärten zu erreichen und bei der Umsetzung der Intervention zu unterstützen.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, mussten wir detaillierte Leitfäden und Anleitungen erstellen, die Kindergartenfachkräfte aus der Ferne in der Erhebung motorischer Fähigkeiten zu schulen. Diese Umstellung erforderte eine intensive Koordination und Kommunikation der AWO, um sicherzustellen, dass die Fachkräfte die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten erlangten, um die Erhebungen valide und selbstständig durchführen zu können.

Ein weiteres Hindernis war der eingeschränkte Zugang zu den Einrichtungen während des Projektes, der die Zusammenarbeit und Planungssicherheit erheblich beeinträchtigte. Trotz dieser Schwierigkeiten gelang es uns, durch schnelles Handeln und mit toller Unterstützung aller Beteiligter, eine gute Durchführung der Fortbildungen, Bewegungsprogramme und Erhebungen zu gewährleisten. Besonders hervorzuheben ist dabei die außerordentliche Bereitschaft und Flexibilität der Erzieherinnen und Erzieher, die sich engagiert und motiviert den neuen Herausforderungen stellten und somit einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg unseres Projektes leisteten.

Sie wenden sich mit dem Projekt an pädagogisches Fachpersonal, Eltern und die Kinder selbst. Wie haben Sie die unterschiedlichen Adressatengruppen erreicht und für die Thematik gewonnen?

Die Unterstützung durch den Träger Arbeiterwohlfahrt Oberbayern war dabei ein entscheidender Faktor. Diese Partnerschaft ermöglichte es uns, einen direkten Zugang zu den Einrichtungen zu erhalten. Sobald es die Bedingungen der Corona-Pandemie zuließen, besuchten wir die Einrichtungen persönlich. Dort integrierten wir die Fachkräfte aktiv in die Gestaltung und Umsetzung unseres Programms PAKTan. Durch die Partizipation gelang es uns, PAKTan so zu entwickeln, dass es nicht nur alltagstauglich, sondern auch einfach in der Anwendung war. Zusätzlich fanden die Fortbildungsmaßnahmen direkt in den Einrichtungen der AWO, also den Kitas, statt, wobei die Fachkräfte regelmäßig in die Anpassung und Verbesserung des Programms einbezogen wurden.

Für die Kinder gestalteten wir das Programm spielerisch, altersangepasst und kinderfreundlich. Jede motorische Fähigkeit und jedes Ritual wurde mit einem PAKTan-Tier verbunden, was nicht nur einen hohen Wiedererkennungswert schuf, sondern laut Rückmeldungen von Erzieherinnen, Erziehern und Kindern selbst auch die Motivation an den Spielen und Ritualen aufrechterhielt.

Die Einbindung der Eltern erfolgte durch verschiedene Herangehensweisen. Wir verteilten Wissenshefte und stellten Familienhausaufgaben mit Bewegungs- und Freizeitaufgaben in der Natur zur Verfügung. Zudem wurden Elternbriefe und Motto-Wochen erstellt, um die Eltern aktiv in das Geschehen einzubeziehen. In einer Anpassungsphase hatten die Eltern sogar die Möglichkeit, das Elternmodul partizipativ mitzugestalten und Änderungswünsche einzubringen.

Die Intervention besteht aus zwei großen Bausteinen: einem für die Kita, einem für die Eltern. Inwiefern war der partizipative Ansatz ein Gewinn für die Interventionsentwicklung und -durchführung?

Der partizipative Ansatz in PAKTan brachte wesentliche Vorteile. Er steigerte die Motivation und das Engagement der Fachkräfte in den Kitas, da sie aktiv in die Gestaltung von PAKTan einbezogen wurden und sie bspw. auch eigene Ideen einbringen konnten, die wir dann gemeinsam diskutiert haben und umsetzten.

Gleichzeitig ermöglichte die Beteiligung der Fachkräfte und Eltern eine praxisnahe und alltagstaugliche Entwicklung von PAKTan. Durch ihre direkte Mitwirkung entstand ein Programm, das sowohl im Kita-Setting als auch zu Hause einfach umzusetzen war. Die Eltern wurden befähigt, das Programm zu Hause zu unterstützen und zu ergänzen, was die ganzheitliche Wirkung der Intervention verstärkte. Dabei war uns eben auch wichtig, die beiden Lebenswelten Kita und Familien direkt miteinander zu verzahnen.

Kurz gesagt, der partizipative Ansatz war entscheidend für den Erfolg der Intervention, indem er eine maßgeschneiderte, praxisorientierte und von allen Beteiligten gut angenommene Umsetzung ermöglichte.

Welche Erlebnisse im Rahmen von PAKTan bleiben Ihnen in besonderer Erinnerung?

Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die hervorragende Zusammenarbeit mit den Erzieherinnen, Erziehern und den AWO-Trägern sowie die kreativen Initiativen, die aus PAKTan hervorgingen. Ein Highlight war, das von den Kindern und Erzieherinnen komponierte und aufgenommene Lied über die PAKTan-Tiere, das den Wiedererkennungswert und die Kreativität der Kinder zum Ausdruck brachte. Ebenso in Erinnerung geblieben ist das PAKTan-Sommerfest inklusive einem „Bewegungsturnier“ mit den Kindern und Eltern, das von den Einrichtungen organisiert wurde.

Die persönlichen Kontakte unter den Teilnehmenden führt häufig zu freundschaftlicher Verbundenheit und befreit teilweise aus bisheriger häuslicher Einsamkeit und Isolation. Diese Wirkung der Kurse ist nicht zu unterschätzten und war für uns ein besonderes Erlebnis, was wir in dieser Form nicht unbedingt erwarten konnten.

Welches Ergebnis haben Sie im Vorfeld erwartet und welches ist unvorhergesehen eingetreten?

Während der Corona-Pandemie erwarteten wir zunächst, dass die Durchführungshäufigkeit der Maßnahmen und die Umsetzbarkeit von PAKTan unter den gegebenen Umständen leiden würden. Diese Befürchtungen bestätigten sich jedoch nicht. Trotz der Herausforderungen gelang es uns, PAKTan erfolgreich umzusetzen, was die hohe Flexibilität und das immense Engagement aller Beteiligten unterstreicht.

Ein unerwartetes und alarmierendes Ergebnis war für uns die erste Erhebung der motorischen Fähigkeiten der Kinder nach dem Lockdown und vor dem Start von PAKTan. Hier zeigte sich, dass viele getestete Kinder in Bereichen der motorischen Leistungsfähigkeit, wie etwa Kraft und Koordination, erhebliche Defizite aufwiesen, im Vergleich zu repräsentativen Ergebnissen von Kindern aus den Vorjahren in Deutschland. Dieses Ergebnis betonte damit aber auch die dringende Notwendigkeit unseres Projekts und die Wichtigkeit der Förderung motorischer Fähigkeiten bei Kindern, besonders in Zeiten eingeschränkter körperlicher Aktivität.

Sie können auf eine umfangreiche Projektexpertise im Setting Schule zurückgreifen. Was verbindet Kita und Schule – worin liegen die Unterschiede der Settings?

Beide sind zentral für die kindliche Förderung in den Bereichen Bildung und Gesundheit, und gerade Bewegung und körperliche Aktivität können hierbei eine zentrale Rolle einnehmen. Doch die Kita bietet im Vergleich zur Schule noch ein besonderes Potenzial, denn hier kann schon sehr früh Spaß und Freude an der Bewegung vermittelt werden und zudem gibt es noch keine Selektion der Kinder durch akademische Leistungen. Dies ermöglicht eine inklusivere Herangehensweise und Förderung, die Kinder aus verschiedenen sozioökonomischen Hintergründen und in all seiner Vielfalt erreicht. Außerdem haben Fachkräfte in Kitas trotz der beruflichen Herausforderungen, mehr inhaltliche Freiheiten, um Spiele und Projekte flexibel in den Alltag einzubinden, was eine spielerischere und weniger leistungsorientierte Entwicklung fördert. Im Vergleich dazu ist die Schule stärker strukturiert und schon sehr früh auf akademische Leistungen ausgerichtet. Das kann dann bspw. dazu führen, dass die Freude und Motivation an Bewegung zurückgeht.

Welche Entwicklungsbedarfe sehen Sie zukünftig für das Setting Kita? Wie geht es mit PAKTan weiter?

Die Ergebnisse von PAKTan zeigen, dass viele Kinder aktuell erhebliche motorische Defizite aufweisen und ihnen damit schon sehr früh Entwicklungsmöglichkeiten genommen werden. Ein zentraler Entwicklungsbedarf im Kita-Setting liegt daher in der verstärkten Integration von Bewegungsförderung in den Alltag, auch mit der Verknüpfung in die Familie oder den kommunalen Raum. Es ist entscheidend, durch spielerische und alltagstaugliche Aktivitäten Spaß an der Bewegung zu vermitteln und so diese Defizite und die damit verbundenen Nachteile der Kinder effektiv anzugehen bzw. diese möglichst früh zu reduzieren.

Für die Zukunft von PAKTan ist geplant, das Programm auszudehnen und zunächst mehrere Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt in Oberbayern einzubeziehen. Damit wollen wir eine größere Anzahl von Kindern erreichen und einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung ihrer motorischen Fähigkeiten und ganz allgemein zur Förderung ihrer Entwicklung leisten. Gleichzeitig wollen wir aber auch Schulungen entwickeln und fest in Weiterbildungsakademien implementieren, so dass Fachkräfte aus möglichst vielen Einrichtungen PAKTan kennenlernen und umsetzen können. Das soll dann auch über die AWO Oberbayern hinausgehen und idealerweise in ganz Bayern angeboten werden.