Das kollegiale Hilfeteam

Kollegiale Hilfe bei psychisch belastenden Extremsituationen am Arbeitsplatz - ein Projekt zur Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen

Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Sozialstiftung Bamberg

Beschäftigte im Gesundheitswesen sind häufig Belastungen ausgesetzt, die ihre Bewältigungsfähigkeit übersteigen und nicht selten zu seelischen Krisensituationen führen.

Die Studienlage zeigt, dass Ärztinnen und Ärzte sowie pflegendes Personal eine Angst- und Depressionssymptomatik aufweisen, die deutlich über der Allgemeinbevölkerung liegt. Weiterhin existieren in der Pflege eine bis zu vier Mal höhere Suizidrate, ein erhöhter Substanzmittelmissbrauch und ein überdurchschnittlich hoher Krankenstand. Bereits 2012 sprach sich der Bayerische Ärztetag für die Einführung von Kriseninterventionsteams für Mitarbeitende aus.

Ziele

Durch die Wahrnehmung traumatisierender Ereignisse und die fachliche Betreuung betroffener Personen, soll eine seelisch-körperliche Entgleisung nach besonders belastenden Ereignissen im Arbeitskontext z. B. durch Bedrohungen oder gewaltsame Übergriffe von Patienten oder Besuchern, Brandereignissen, aber auch dem schicksalhaften Tod oder Suizid von Patienten vermieden und die Arbeitsfähigkeit sowie die Freude am Gesundheitsberuf erhalten werden. Denn je früher einzelne Mitarbeitende oder ein Mitarbeiterteam in dieser Situation Unterstützung erfährt, desto effektiver kann Trauma-Folgestörungen und einer anhaltenden Gesundheitsschädigung vorgebeugt werden.

Umsetzung

Die Implementierung des Projekts erfolgte schrittweise und begann mit der Zusammenstellung und Schulung eines multiprofessionellen Teams aus Psychologinnen und Psychologen, Fachpflegekräften sowie Seelsorgerinnen und Seelsorgern. Zu den weiteren Umsetzungsschritten zählten:

  • der Aufbau einer Infrastruktur, um Mitarbeitenden spezifische Informationen bereitzustellen
  • die Einrichtung eines 24-Stunden Bereitschaftstelefon sowie die Erstellung von Fortbildungskonzepten und eines Interventionsleitfadens
  • systematische Mitarbeiterschulungen zur Primärprävention sowie die Sekundärprävention durch Detektion und Frühintervention traumatischer Ereignisse
  • eine Sofortintervention bei Einsatzereignissen in Gruppen- und Einzelgesprächen mittels Psychoedukation, sowie die Vermittlung von Strategien zur Stabilisierung und Entlastung, eine individuelle Weiterbetreuung und die Weitervermittlung Betroffener an externe Dienste wie z. B. ambulante Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten der Berufsgenossenschaft.

Seit Anfang 2017 wurde im Mittel ein Einsatz pro Monat geleistet, meistens innerhalb von sechs Stunden, aber immer innerhalb von 24 Stunden und bis zu drei Monate lang, überwiegend bei Arbeitsteams, immer mit Einzelbetreuung von ein bis drei Betroffenen durch ein Helferteam von zwei bis fünf Personen und diese Einsätze von den Mitarbeitern mit hoher Zufriedenheit bewertet. So konnten bisher 4.500 Personen erreicht werden, davon 80 durch Schulungen, 120 durch Interventionen und 4.300 durch Information.

Projektlaufzeit, Ressourcen und Finanzierung

Das Projekt startete 2016 und konnte 2017 implementiert werden. Eine Limitierung der Laufzeit ist nicht vorgesehen.

Das Projekt entstand in Freizeitarbeit aus Eigeninitiative der Mitarbeiter der Psychiatrie, eine Förderung erfolgt aktuell durch den Arbeitgeber, die Sozialstiftung Bamberg, im Sinne der zeitlich begrenzten, bedarfsorientierten Freistellung der Mitarbeiter des kollegialen Hilfeteams, die wissenschaftliche Begleitung wird in der Freizeit geleistet.

Trägerschaft und Projektkoordination

Projektträger ist die Sozialstiftung Bamberg. Chefarzt Prof. Dr. Dr. Göran Hajak und die leitende Diplom-Psychologin Regina Schumacher koordinieren das Projekt.

Qualitätssicherung, Dokumentation und ggf. Evaluation

Ein standardisiertes Vorgehen nach spezifischen Leitfäden soll eine gleichbleibende Beratungsqualität bieten. Einsätze werden dokumentiert, chiffriert und projektintern gespeichert. Die wissenschaftliche Begleitung basiert auf anonymisierten Klienten-Katamnesen sowie auf den Daten der Projektdokumentation und der hausinternen Qualitätssicherung. Eine systematische Erhebung der Interventionsergebnisse ist ebenfalls geplant. Das Einsatzteam wird regelmäßig durch externe Therapeutinnen und Therapeuten supervidiert und weitergebildet.

Kommentar aus dem Projekt

„Der Einsatz des kollegialen Hilfeteams hat nicht die belastenden Vorfälle reduziert, aber eindeutig die Überzeugung der Mitarbeiter gestärkt, in der schweren Tätigkeit gesehen und bei Schwierigkeiten nicht allein gelassen zu werden. Letztendlich trägt das Projekt somit auch zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter bei.“

Kontakt

Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Sozialstiftung Bamberg
Ansprechpartner: Chefarzt Prof. Dr. med., Dr. med. habil. Göran Hajak  
Sankt-Getreu-Str. 18, 96049 Bamberg        
Telefon: 0951-5032-1001
E-Mail: goeran.hajak@sozialstiftung-bamberg.de
https://www.sozialstiftung-bamberg.de/klinikum-bamberg/kliniken-und-experten/psychiatrie/kollegiale-hilfe/

Stand der Projektinformation: März 2020