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Dialogforum „Digitale Medienkompetenz – Anregungen für die schulische Suchtprävention“ – eine Rückschau

Nach dem erfolgreichen Auftakt des Veranstaltungsformats der virtuellen Dialogforen im vergangenen Jahr, hat das ZPG in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS) am 14. Juli 2022 die Veranstaltungsreihe fortgesetzt. Unter dem Motto „Digitale Medienkompetenz – Anregungen für die schulische Suchtprävention“ kamen rund 180 Fachkräfte der Jugendsozialarbeit an Schulen, Schulsozialarbeit und Suchtprävention sowie beauftragte Lehrkräfte aus Bayern zusammen.

Insbesondere im Zuge der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen des sozialen Lebens, rückt die Nutzung digitaler Medien – sowohl bei Kindern und Jugendlichen, als auch bei Erwachsenen – zunehmend in den Fokus. Neben den verschiedenen Vorteilen, welche digitale Medien bieten, birgt eine übermäßige Nutzung allerdings auch Risiken und kann im ungünstigsten Fall in eine Abhängigkeit führen.

Heutzutage beginnt die Nutzung von Smartphones, Tablets und Co. oftmals bereits im Kindesalter, sodass der Schule eine zentrale Rolle zur Förderung digitaler Medienkompetenz zukommt. Doch ab welchem Alter sollten digitale Medien auch im Setting Schule genutzt werden und wie können Kindern und Jugendlichen ein kompetenter Umgang diesbezüglich vermittelt werden? Ab wann spricht man von einer Medienabhängigkeit und wie erkennt man diese? Diese Fragen und weitere wurden im Rahmen von Fachvorträgen verschiedener Experten im Bereich Medienabhängigkeit und Medienkompetenz thematisiert, bevor sich die Teilnehmenden anschließend in Kleingruppen über eigene Erfahrungen und Meinungen austauschen konnten. Den Teilnehmenden wurden außerdem die Ergebnisse der KIM- und der JIM-Studie des Medienpägagogischen Forschungsverbundes Südwest zum Medienumgang von Kindern und Jugendlichen zur Verfügung gestellt.

Blick aus der klinischen Praxis: riskante und süchtige Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen

Prof Dr. med Bert te Wildt, Chefarzt der Psychosomatischen Klinik Kloster Dießen am Ammersee, erläuterte mit seinem Vortrag die klinische Sicht auf das Krankheitsbild einer Internetabhängigkeit. Neben Erwachsenen behandelt der Chefarzt auch immer häufiger Kinder und Jugendliche. Internetsucht kann viele Facetten annehmen und sich neben Computerspielsucht auch in einer exzessiven Nutzung von sozialen Netzwerken, Video-Portalen, Cybersexangeboten oder in Mischformen zeigen. Eine stationäre Behandlung von Verhaltenssüchten ist insbesondere dann angezeigt, so Prof. te Wildt, wenn die Betroffenen unter gravierenden negativen sozialen Folgeerscheinungen und entsprechenden Begleiterkrankungen, wie Schlaflosigkeit, Aggressivität oder Depressivität leiden. Für eine erfolgreiche Therapie empfiehlt der Chefarzt zunächst eine radikale Abstinenz gegenüber der Internetnutzungsweise und das stückweise Erlernen eines funktionalen Umgangs mit digitalen Medien, sowie das Aufzeigen von alten und neuen analogen Handlungsspielräumen.

Medienkompetenzförderung – wann und wie?

Early High Tech vs. Early High Touch?– Das ist die zentrale Frage, welcher sich Benjamin Grünbichler, Geschäftsführer von neon – Prävention und Suchthilfe Rosenheim, widmet. Die Ergebnisse der BLIKK-Studie 2016 zeigen, dass bereits 70 % der Kinder im Kita-Alter täglich mit digitalen Medien in Kontakt kommen. Während Verfechter der Early-High-Tech-Strategie einen möglichst frühen Einsatz digitaler Medien in Schule und Kita befürworten, empfehlen Anhänger der High-Touch-Strategie einen späteren Einstieg in die Mediennutzung ab zehn bis zwölf Jahren. Laut Herrn Grünbichler raten zu Letzteren insbesondere Suchtforschende, Ärztinnen und Ärzte sowie Pädagoginnen und Pädagogen. Bei der Entscheidung, ob und wann digitale Medien zum Einsatz kommen sollten, empfiehlt Herr Grünbichler den von Paula Bleckmann geprägten Begriff der Medienmündigkeit. Demnach sollten digitale Medien für Kinder nur zum Einsatz kommen, wenn die kindlichen Entwicklungsaufgaben durch diese besser gefördert werden, als durch analoge Beschäftigung.

Konzepte und Beispiele schulischer Präventionsarbeit

Was fasziniert Kinder und Jugendliche an digitalen Medien und worauf kommt es bei der Prävention internetbezogener Störungen an? Andreas Pauly, Diplom-Sozialpädagoge und Fachreferent für Mediensuchtprävention, zeigte beispielhafte Präventionsprojekte für das Setting Schule auf. Mediensuchtprävention ziele auf die Förderung vier zentraler Aspekte ab: die Kenntnis über negative Folgen, die eigene Reflexionsfähigkeit und Einstellungsänderung, die selbstkritische Verhaltensänderung und die Beratungsbereitschaft bei Bedarf. Als ein Beispiel zur Umsetzung dieser Ziele stellt er das erprobte und evaluierte Projekt „Net-Piloten – Durchklick mit Durchblick“ vor, dessen Umsetzung auch in Bayern erfolgt. Dabei werden junge Menschen zu Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet, um jüngere Klassen rund um das Thema Mediennutzung aufzuklären und zu einem verantwortungsbewussten Umgang zu befähigen. Neben der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern spielt allerdings auch die Einbeziehung von Eltern und weiteren Akteuren, wie Lehrkräften, eine zentrale Rolle.

Austausch in Kleingruppen

Am Ende der Veranstaltung konnten sich die Teilnehmenden noch in Kleingruppen zu ihren eigenen Erfahrungen bezüglich des Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen und der Prävention im Setting Schule austauschen. Die Schlagworte, die am häufigsten in den Diskussionen gefallen sind, wurden anschließend im Plenum in Form einer Wortwolke gesammelt. Neben Hinweisen auf exzessive Mediennutzung und möglichen Gründen hierfür, spielte in den Diskussionen vor allem die immer frühere Nutzung von Medien, bereits im Kleinkindalter, eine Rolle. Medien seien im Alltag zur Normalität geworden. Die Arbeit mit Eltern und deren Sensibilisierung zum Thema seien daher besonders wichtig. Kindern sollte frühzeitig ein verantwortungsvoller und kompetenter Umgang mit Medien vermittelt werden.

Schlagworte aus der Gruppendiskussion angeordnet in einer Wortwolke